Land und Leute

Corona Spargel

Es gibt Leute, die mutieren jedes Jahr um die gleiche Zeit zum „Holländer“.

MSH.
Dieser zugegeben blöder Vergleich resultiert aus der landläufigen Auffassung, dass die Niederländer die Spargelfreaks schlechthin wären.
Die Schwierigkeiten, die die Spargelbauern dieses Jahr in Ost und West hatten und haben, um den Spargel aus dem Boden zu bekommen, wurde von unserer Obrigkeit behandelt wie eine nationale Katastrophe. Die Lobby ist wohl nur noch durch die Konzerne, insbesondere die Autoindustrie zu toppen.Und wer ist Schuld daran, wenn die armen Großbauern kurz vorm Verhungern sind und mit Ihnen die Spargelkonsumenten? Natürlich diese CORONA!!!
Also wird hier gleich mal eine klitzekleine Ausnahme gemacht. Während wir unsere Kinder und Enkel schon seit Wochen nicht mehr persönlich treffen dürfen, noch dazu als steinaltes Gefährdungsobjekt werden kurzerhand rumänische Arbeitskräfte eingeflogen, weil sie ja so viel fleißiger sind, als deutsche. Diese Aussage eines Spargelbauern aus Brandenburg fand ich besonders perfide.
Warum brauchen wir die ausländischen Arbeitskräfte tatsächlich?
Weil sie so schön billig sind. Gerade deshalb verstehe ich jede potentielle Arbeitskraft aus der jeweiligen Region, die sich nicht für einen Hungerlohn so schamlos ausbeuten zu lässt.
Sonst wird hier keiner reingelassen, aber für den Spargel ( besser den Profit) macht man schon mal eine Ausnahme.
Beispiele gibt es genug: Fehlende Hygienestandards in überteuerten und überbelegten
Unterkünften. Löhne die nicht ausgezahlt werden, weil plötzlich die eingeflogenen Arbeitskräfte ihren Flug selbst bezahlen sollen. Akkordvorgaben, die nicht zu schaffen sind. Und selbst wenn, wie in einem Hof in Niedersachsen 100 kg Spargel in einer Schicht gestochen werden, ergibt das nur einem Lohn von 7,20 € pro Stunde. Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Besonders perfide: Das Landwirtschaftsministerium klärt die ausländischen Mitarbeiter nicht über ihre Rechte auf, verteilte bisher noch nicht mal trotz Zusage Hinweisblätter der Gewerkschaft bei Ankunft an den Flughäfen. Und noch schlimmer: es gibt wohl auch Fälle, wo Arbeitskräfte positiv auf Corona getestet werden, nicht arbeiten können und noch ihren Heimflug selber bezahlen sollen.
Aber was geht das uns an?
Jeder Ausländer, der trotz dieser dreisten Ausbeutung hier immer noch mehr Geld verdient, als zu Hause ist ein Testballon, die Grundrechte und Sozialstandards auch bei uns zu unterlaufen. Wer sich dieser fiesen Masche hier nicht unterwirft, wird als faul dargestellt. Abgesehen davon ist diese Ausbeutung der Spargelstecher aus armen EU-Länder ein Beispiel, wie unsolidarisch es in der EU zugeht. Ich jedenfalls finde es eine Schweinerei, dass Leute in armen EU-Länder unter erbärmlichen Verhältnissen leben müssen und deshalb hier ihre Haut zum Markte tragen. Wenn wir nicht fordern, dass alle gleichen Lohn erhalten, die hier arbeiten, werden wir uns gegenseitig als Konkurrenten sehen. Nein, Alle und überall haben einen Mindestlohn von 12,00 € zu erhalten. Dann arbeiten auch bei uns mehr Menschen saisonal in der Landwirtschaft. Und wer das Argument anbringt, dass damit der Spargel, die Kirschen etc. ja teurer werden, dem sage ich:
Der Profit der Großagrarier, der Vermarkter, der Großhandelsketten bietet noch eine Menge Spielraum zum Kürzen – und – wer durch einen fairen Lohn mehr Geld in der Tasche hat, der kann auch gute Produkte (Stichwort Bio) kaufen.
Letzter Satz: Ja, Spargelanbau gibt’s in unserer Gegend wenig. Ich wohne jedoch in einem Dorf, in dem es keine Industrie oder Handwerk, dafür aber große Obsthöfe gibt, die in der Ernte auch fast nur ausländische Saisonkräfte beschäftigen. Ein großer Obstbauer hat selbst die ständig Beschäftigten fast ausschließlich aus ausländischen Kräften rekrutiert, obwohl wir hier langjährige Tradition und damit Erfahrung vor Ort haben. Das Problem der Ausbeutung ausländischer Arbeiter ist direkt vor meiner Haustür.

(Zahlen und Fakten aus Interview D. John, Beratungsstelle „Faire Löhne“, nd vom 02./03.05.2020)

Bernd Uschmann

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